simulierte Temperaturverteilung in einer Eruptionsäule mit Aschenstrom

PD Dr. Ulrich Knittel:
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'Vulkan des Todes'
von Victoria Bruce

2001, Malik - Piper
Aus dem Amerikanischen von R.Weitbrecht u. H.Dierlamm
312 Seiten, 8 Bildseiten
€ 19,90
ISBN 3-89029-217-8

Offenbar vergriffen; hier noch zu haben!

Im 20. Jahrhundet ereigneten sich zwei wirkliche Vulkankatastrophen, der 'berühmte' Ausbruch der Montagne Pelée auf Martinique im Jahre 1902, bei der mit einer (oder zwei) Ausnahmen alle Einwohner der Stadt St. Pierre umkamen (rund 29000 Tote) und der Ausbruch des in Venezuela gelegenen Nevado del Ruiz im Jahre 1985. Bei diesem verhältnismäßig bescheidenen Ausbruch entstanden Schlammströme (Lahars), die die Stadt Armero und wenigstens 23000 ihrer Einwohner begruben.

Wie konnte es dazu kommen, Ende des 20. Jahrhundert, zu einer Zeit, als modernste Technik zur Vulkanüberwachung Verfügung stand? Die Autorin, selbst Geologin, beschreibt in ihrem Buch, wie dieser Vulkan mit einfachsten Mitteln überwacht wurde; von Leuten, die Enthusiasmus, aber wenig Kenntnis in Bezug auf Vulkanüberwachung hatten. Die Seismometer waren zudem nur von der Wasserbaubehörde ausgeliehen, und wurden zu einem kritischen Zeitpunkt zurückgefordert.

Aber hätte eine bessere Überwachung wirklich geholfen? Auswärtige Experten (Amerikaner, Franzosen und Italiener) waren vor Ort und sagten den Gang der Ereignisse für den Fall einer Eruption ziemlich korrekt voraus. Auch kolumbianischen (meist allerdings jungen und unerfahrenen) Wissenschaftlern war klar, dass ein Ausbruch zu einer Katastrophe führen könnte, gab es doch alte Berichte über frühere Eruptionen! Aber die Zivilbehörden, die die Informationen der Wissenschaftler hätten umsetzen müssen, begriffen die Gefahr nicht oder wollten sie nicht ernst nehmen. Und der 'Vater' der komlumbianischen Seismologie, Emilio Ramirez, der in den 40er Jahren das erste Seismometer in Kolumbien aufstellte und vielleicht über genügend Autorität verfügt hätte, war schon 1981 gestorben.

Acht Jahre später ist Venezuela wieder der Schauplatz einer Tragödie, wenngleich die Zahl der Opfer beim Ausbruch des Galeras nur klein war. Aber bei den Opfern handelte es sich in der Mehrzahl um Vulkanologen!

Der hohe Blutzoll stürzte die vulkanologische Gemeinschaft in einige Verwirrung und man fragte sich selbstkritisch, ob man beim Arbeiten an aktiven Vulkanen vielleicht die Sicherheitsmaßnahmen zu lasch handhaben würde. Und wieder fragt Victoria Bruce, ob denn dieses Unglück nicht vermeidbar gewesen wäre. Die Kontroverse um diese Frage und die in den USA praktisch gleichzeitig erschienene Darstellung des damaligen Expeditionsleiters Stanley Williams (auf deutsch: 'Der Feuerberg') haben ein großes Interesse hervorgerufen - ungewöhnlich für Bücher, die vulkanischen Ereignissen gewidmet sind.

Bruce kommt in ihrem Buch zu dem Schluss, dass die Vulkanologen und vor allem Williams die Gefahr eines Ausbruchs hätte vorhersehen können und dass die Expedition leichtfertig durchgeführt wurde. Zudem nimmt sie Anstoß an verschiedenen Behauptungen von Williams, u.a. der, dass er der einzige Überlebende in unmittelbarer Kraternähe gewesen sei. Insidern war aber schon lange bekannt, dass noch sechs weitere Wissenschaftler die Eruption in unmittelbarer Nähe überlebt hatten und Williams gibt im Vorwort seines Buches zu, dass, bedingt durch seine schweren Verletzungen, seine Erinnerungen falsch sein könnten.

In der unterschiedlichen Darstellung der Ereignisse liegt natürlich der Grund für das Aufsehen, dass die Bücher erregen. Und so werden die Bücher in der Regel auch 'im Doppelpack' besprochen und in vielen Rezensionen die Empfehlung ausgesprochen, doch beide Bücher zu lesen (was natürlich ein gutes Geschäft für die Verlage verspricht). Eine Entscheidung muss der Leser selbst treffen, denn auch unter Fachleuten herrscht - wie die Diskussion im Internet zeigt - Uneinigkeit darüber, ob der Galeras-Ausbruch vorhersagbar war, oder nicht.

Die Übersetzung aus dem Englischen ist gelungen (etwas anderes kann der Verfasser dieser Zeilen auch gar nicht schreiben, da er die Rohfassung der Übersetzung selbst durchgesehen hat). Die Ausstattung mit Fotos (schwarz-weiß) und Karten ist etwas mager, vor allem würde ein Foto der Schlammströme von Amero die ungeheure Verwüstung besser als jede Beschreibung illustrieren. Und der Buchtitel zeigt ins Meer fließende Lavaströme, die mit dem Gegenstand des Buches nun wirklich nichts zu tun haben.

Alles in allem ist dieses Buch jedem zu empfehlen, der sich für Vulkanüberwachung und die Menschen interessiert, die Vulkanologie betreiben. Und Leser des Buches 'Der Feuerberg' werden feststellen, dass es nicht nur eine Sicht der Ereignisse gibt.

Dr. Ulrich Knittel