simulierte Temperaturverteilung in einer Eruptionsäule mit Aschenstrom

PD Dr. Ulrich Knittel:
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Krakatau 'Krakatau: Der Tag an dem die Welt zerbrach,
27. August 1883'

von Simon Winchester

Albrecht Knaus

Euro 23,90
ISBN 3-8135-0224-4

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Für einen für Vulkane begeisterten Leser ist es immer sehr interessant, ein Buch über einn weltbewegenden Vulkanausbruch zu lesen. Dies war mein Gedanken, als ich dieses z.T. hochgelobte Buch zur Hand nahm. Meine Erwartungen wurden allerdings ein wenig enttäuscht.

Vor gut 120 Jahren ereignete sich ein Vulkanausbruch, der sich wie kaum ein anderer im Gedächtnis der Menschheit einprägte: 1883 explodierte gleichsam die in der Meerenge zwischen Sumatra und Java gelegene Vulkaninsel Krakatau. Diesem Ereignis widmet Simon Winchester das vorliegende Buch.

Der Autor untersucht in diesem Buch im Wesentlichen drei Themen: Wie war die gesellschaftliche Situation in Indonesien zu dieser Zeit? Und warum hinterlies diese Eruption einen solch tiefen Eindruck im kollektiven Gedächtnis der Menscheit? Und vor allem, wie verlief der Ausbruch und was waren die Ursachen? Wenngleich das Letztere Thema den Leser vielleicht zuvorderst interessiert, sind doch die Abschnitte, die den erstgenannten Themen gewidmet sind die Stärke des Buches.

So bekommt der Leser eine interessante Einführung in die Entwicklung Indonesiens als holländische Kolonie geboten, liebevoll ausgeschmückt mit vielen kleine Details über das (koloniale) Leben in Indonesien zur damaligen Zeit. Gleiches gilt auch für die Betrachtung, welche Folgen der Ausbruch auf die Gesellschaft Indonesiens hatte, u.a; erfährt der erstaunte Leser, dass zu den Folgen des Ausbruchs auch das Aufkommen und die Stärkung eines radikalen Islamismus gehörte.

Auch die Frage, warum grade dieser Vulkanausbruch so einen tiefen Eindruck auf die Menschheit machte wird auf lesenswerte Weise beantwortet: Der Ausbruch ereignete sich kurz nachdem die Kontinente durch transozeanische Telegraphenkabel miteinander verbunden waren. Daher konnten die in weiter Entfernung lebenden Menschen, die die Folgen des Ausbruchs wahrnahmen, binnen Kurzem erfahren, dass es sich um Erscheinungen in Folge eines gigantischen Vulkanausbruchs handelte: Im Grunde begann damit die Einsicht, dass die Menschheit auf einem Planeten wohnt, ja Winchester feiert das Ereignis als den Beginn des 'global village'. Diese schnelle Kommunikation ist mehr als die schrecklich hohe Zahl der Todesopfer dafür verantwortlich, dass diese Eruption in das kollektive Gedächtnis der Menschheit aufgenommen wurde. Diese Einsicht ist nicht ganz neu, wird aber in diesem Buch kompetent belegt.

Die Darstellung der eigentlichen Eruption und ihrer Ursachen ist leider der schwächste Teil des Buches. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Autor von seinen Lesern keinerlei geowissenschaftliches Grundwissen erwarten kann. Und so ist die Darstellung der plattentektonischen Vorgänge, die die Ursache für den Vulkanismus in Indonesien (und anderen Inselbögen) ist, gespickt mit Sätzen wie "... flüssigen Bestandteile ... beginnen zu brodeln, zu schäumen und zu wallen ..." [S. 111] (und das in 100 Kilometer Tiefe, weit jenseits des kritischen Punktes von Wasser, das also nicht mehr kocht sondern schon längst gasförmig ist) oder - "... die Materialien ... werden... an den Plattengrenzenwieder hinuntergefegt." (obwohl sie doch auf Grund ihrer großen Dichte hinabsinken). Die Reihe der Beispiele läßt sich fortsetzen. Zum Beispiel wagt es der Verfasser offenbar nicht, den Lesern den Namen der geförderten Magmen zuzumuten; es handelte sich um Rhyolit, oder - nach anderen Quellen - um Dacit. Auch die interessanten neueren (1991) Forschungen zu den Frage, was denn nun die gigantischen Tsunamis ausgelöst hat, allgemein verständlich dargestellt im 'Research & Exploration' Journal der National Geographic Society, bleiben unerwähnt. Dabei hätte sich hier eine gute Gelegenheit geboten, die Arbeit moderner Vulkanologen zu beschreiben.

Viel kompetenter ist die Darstellung der Geschichte der geologischen Entdeckungen, die zu dem modernen Verständnis von Vulkanologie und Tektonik führten. Interessant allem der Hinweis auf Alfred Wallace, der die gleichen Ideen wie Charles Darwin verfolgte, dessen Beobachtungen im indonesischen Archipel so gut in das heutige geowissenschaftliche Bild dieser Region passen, zu seiner Zeit aber größtenteils unverständlich schienen.

Die Abbildungen sind etwas lieblos ausgesucht. So ist auf der Karte auf Seite 7 der Krakatau nicht eingezeichnet; auch die Orte Anyer und Telukbetung sucht man vergebens. Auf Seite 180 findet sich eine Karte der Telegraphenleitungen über den Atlantik, während den Leser doch eigentlich interessiert, wie das Kabel nach Indonesien lief! (das wird auf den Seiten 175ff auch genau beschrieben, doch würde man dazu gerne die passende Karte sehen).

Fazit: das Buch bietet eine lesenswerte Gesamtdarstellung einer der bedeutensten Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte, wobei die vulkanologischen Details leider etwas verschwommen bleiben. Daher kommen vor allem historisch interessierte Leser voll auf ihre Kosten. Der 'Vulkan-Freak' wird daher nicht um das zehn Jahre alte, und von Winchester viel benutzte [S. 349!], Buch von Simkin und Fiske nicht 'herumkommen'.

Dr. Ulrich Knittel